» Das im Rahmen des Projekts FESLGEBURT gezeigte Skizzenmaterial ist ein Teil jener Arbeiten, die während des ersten Besuchs im Sommer 2015 und eines zweiten intensiven Studienaufenthaltes im Februar 2018 direkt in den Sassi von Matera entstanden sind. Dabei wurden die während dieser intensiven zweiwöchigen Studienphase ausgeführten Zeichnungen vornehmlich mit Feder, Kohlestift, Bleistift, Rötelkreide oder Kugelschreiber, aber auch Aquarellfarben in unterschiedlichen Formaten auf Papier ausgeführt. So verschieden wie die technische Ausführung und Größe der Arbeiten, erscheinen auch die sich darin herauskristallisierenden Themenkomplexe und Motive, die ich sowohl als eine erste gedankliche Annäherung an den Projektinhalt als auch als einen eigenständigen Werkteil der in Matera, Rom und Wien vorgesehenen Abschlussausstellungen verstehe:
War mein Ausgangspunkt zunächst noch das menschliche Individuum, das sich in der brachialen, felsigen Umgebung Materas zurechtzufinden und damit zu arrangieren hatte, so verlor sich dessen Spur zunehmend während meiner oft stundenlangen Erkundungstouren in den Sassi und der vor der Stadt steil abfallenden Schlucht – der Gravina. Eine besondere Faszination bargen für mich dabei vor allem die stillen und verlassenen, von Natur, Witterung und Zeit zurückeroberten Orte: Natürliche Höhlen, verlassene Kirchen und Einsiedeleien, ruinöse Häuser und Wohnungen in dem aus dem weichen Tuffstein geformten Labyrinth aus Straßen und Gassen, das seine Zuspitzung in dem die Altstadt bekrönenden Dom erfährt.
Gemeinsam bilden sie jene imposante Kulisse, vor der das Schauspiel der Symbiose zwischen Mensch und Stein schon seit vielen Jahrhunderten stattfindet und immer wieder aufs Neue zur Aufführung gelangt und auch beim Anfertigen dieser oft unmittelbaren und schnellen Arbeiten durchgehend präsent war.
Der Kreislauf des Entstehens, Werdens und Vergehens, der sich für mich in Matera wie kaum in einer anderen Stadt manifestiert, wurde in weiterer Folge zu einer der eindringlichsten Themenstellungen, die ich auf meinen Spaziergängen durch die Altstadt und der Gravina in meinen Skizzen festzuhalten versuchte. In diesem archaischen Spiel von Leben und Vergänglichkeit findet auch der menschliche Organismus wieder Eingang in die Motivwelt: Als »Metamorph« – als mit seiner felsigen Umgebung verschmelzendes und darin aufgehendes Wesen – belebt er die verlassenen Straßen, Höhlen und Plätze Materas. Ebenso wie der ihn umgebende Tuffstein, so bleibt auch seine (Lebens)Form fortan einer stetigen Verwandlung unterworfen.
Sehr viel deutlicher als weitere Erläuterungen soll die folgende Auswahl an Zeichnungen nun eine Vorstellung davon geben, welche Richtung mein Projektvorhaben in den kommenden Monaten einschlagen wird, vor allem aber wohin es mich als Künstler und Mensch gedanklich geführt hat und noch führen wird. «
Florian Köhler [Juni 2019]
oben: Ruine im Sasso Caveoso, Feder mit Tinte auf Papier, 35 x 26,8 cm | unten: Metamorph »Uomo Sasso in Casa Cava« (Detail), Kugelschreiber auf Papier, 21 x 14,8 cm.